Verein Schweizer Phantastikautoren

Geschichten der Niederungen


Wir Menschen leben seit sehr langer Zeit auf diesem grünblauen Planeten. Trotz seiner schier endlosen Größe denken wir bereits alles erforscht und gesehen zu haben. Wir bilden uns ein, die meisten Tiere der Natur zu kennen, und manch niedergeschriebenes Naturgesetz halten wir für unumstößlich. Überirdisches tun wir als Hirngespinst ab, weil wir es uns bis jetzt nicht erklären können und gar nicht mehr zu erklären versuchen. Die Welt ist überentdeckt worden, und doch bleibt ein großes Land vor uns in den Wolken verborgen. Stets in weißen Dunst gehüllt, befindet sich dort ein Landteller, der bisher in seiner Größe weder erfasst noch errechnet worden ist.

In diesem Land herrschen Lebewesen, die wohl kein Mensch jemals zu Gesicht bekommen hat. Obwohl, so sicher ist man sich da nicht, denn in vielen irdischen Sagen und Mythen werden ähnliche Kreaturen erwähnt oder gar beschrieben – wenn auch eher schlecht als recht, muss an dieser Stelle angefügt werden. Sicher ist, dass die für lange Zeit allgemeingültige Meinung, die Erde sei eine Scheibe, darauf zurückzuführen ist, dass einst ein Dokument der Gelehrten von Altstadt aus lauter Ungeschick seinen Weg über den Klippenrand des Landtellers gefunden hat und ins vermeintliche Nichts gesegelt ist.
Das darin enthaltene Wissen um den Landteller ist von unseren damaligen Gelehrten irrtümlicherweise direkt auf die von uns besiedelte Kugel übertragen worden.
Wie wir heute wissen, ist der Trugschluss der flachen Scheibe als Erde entdeckt und der Sachverhalt nach einigen blutigen Scharmützeln richtiggestellt worden.
Für die Völker des Landtellers hoch oben in den Wolken spielt dies alles keine Rolle. Sie verbringen ihr Leben in den Niederungen zwischen den vier Bergrücken der westlich gelegenen Glimmsteinberge.

Die mittlere der drei Niederungen wird größtenteils von einem immergrünen und stets weiterwachsenden Wald bedeckt, dem Schattwald. Hier haben über die Jahrhunderte hinweg viele Tiere und Kreaturen ein Zuhause gefunden. Der Wald ist reich an Nahrung und die immer wiederkehrenden und sehr starken Regenfälle liefern genügend Wasser, um jeglichen Durst zu stillen.
Im Gegensatz dazu sind die beiden danebenliegenden Niederungen von karger Natur. Eine davon ist zur Hälfte mit Sand gefüllt. In der Sandmarwüste regnet es bloß an einem Tag im Jahr und auch dann nur für kurze Zeit. Wer auch nur einen Fuß in den heißen Sand gesetzt hat, wird behaupten, hier könne unmöglich etwas oder jemand über längere Zeit leben. Doch wer weiß das schon so genau?!
Die andere Niederung ist einst so belebt und üppig grün wie die mittlere gewesen, heute ist sie nur mehr schwarz verkohlt und rot glühend. Hier sind vor langer Zeit die heißen Feueradern der Glimmsteinberge – genannt Glimmsteinadern – an die Erdoberfläche getreten und haben alles verbrannt, was sich nicht kurzerhand über den Bergkamm in die Nachbarsniederung gerettet hat. Seither steigt das Feuer unerbittlich aus der Tiefe des Grundsteins auf.
Auch die vom Schattwald herüberziehenden Regenschauer können die Glut nicht löschen. Die Hitze verdampft das Wasser in der Luft und schickt den dichten Nebel direkt zurück zur Mitte des Landtellers. So taucht die sogenannte Negridebene den Schattwald stets in eine dichte Nebelsuppe. Was dort seither lebt oder sich wieder angesiedelt hat, ist weitestgehend feuerresistent oder hat gelernt, sich gegen die enorme Hitze zur Wehr zu setzen.

Isoliert in diesen drei weitläufigen Tiefebenen sind Bürgerschaften entstanden, die nach ihren eigenen Riten und Religionen leben. So sind über die Jahrhunderte hinweg große Kulturen erwachsen und weniger erfolgreiche Kulturen untergegangen. Immer blieb das Leben wild und ungestüm in diesen Landen. Durch Veränderungen, im Guten wie im Schlechten, tragen sich in den Niederungen Legenden zu, die zu erzählen es sich lohnt; so verhält es sich mit diesen Geschichten.

Cover: Geschehnisse um Licht und Finsternis

Geschehnisse um Licht und Finsternis

Die Geschwister Meah und Danbourg leben hoch oben über den Wolken auf einem Landteller. In der Niederung des Schattwalds, wo sie als gemiedene Waisen im Stamm der Bat’ma aufwachsen, lauern jenseits ...